Leserbrief zu "Integration ist keine Einbahnstraße", NW, 24.03.2015

17.04.15 –

"Ankommen und Bleiben" hieß das Motto der 1. Integrationskonferenz des Kreises Höxter. Ein Motto, dass er bisher noch von keinem Ort in NRW so gehört habe, bekannte der Referent Prof. Dr. Andreas Zick aus Bielefeld. "Ankommen" und "Willkommen" geheißen würden die Flüchtlinge in den meisten Kommunen, aber zum "Bleiben" bekennten sich die wenigsten. Deshalb sei der dafür zuständigen Abteilungsleiterin der Kreisverwaltung, Frau Dr. Legge, in besonderer Weise für dieses Motto zu danken, denn das Bleiben der Flüchtlinge sei auch eine große Notwendigkeit für den Kreis selbst, der wie kein anderer in NRW unter einem Bevölkerungsschwund leide.

Viele langjährige Flüchtlingshelfer freuen sich besonders über diese 180-Grad-Wende von Politik und Verwaltung im Kreis Höxter. Vor 20 Jahren zu Zeiten des sog. "Asylkompromisses" schien das Abschieben von Flüchtlingen das Hauptanliegen des Ausländeramtes gewesen zu sein. Heute setzen sich der Landrat und die Bürgermeister höchst persönlich für die ehrenamtlichen Helfer und ein Bleiben der Flüchtlinge ein. Sie möchten nicht nur, dass sich die Flüchtlinge willkommen fühlen, sondern vermitteln Hilfsangebote zusammen mit Kirchen und Vereinen.

So weit - so gut, allerdings gibt es Erfahrungen der Flüchtlingshelfer, die zeigen wie inhuman und unverständlich die rechtlichen Vorschriften im Umgang mit Flüchtlingen sind. So trifft es in dieser Woche einen 22jährigen Kosovo-Albaner in Brakel, der im November in Deutschland Asyl beantragt hatte und nun ausreisen muss, sonst droht ihm die Abschiebung. Dies ist einerseits verständlich, da der Kosovo ein einigermaßen sicheres Land ist, und nicht jeden kann Deutschland aufnehmen. Bevor der junge Kosovare vom Ausländeramt die Ausreiseverfügung bekam, hatte er noch einen Tag zuvor eine Arbeitsbewilligung bekommen und sich gefreut, dass sein Wunsch nun in Erfüllung zu gehen schien, in Deutschland eine Ausbildung zu bekommen. Der junge Mann war am Boden zerstört. Er kann nämlich nicht nur vorzüglich Deutsch (er hat im Kosovo fünf Jahre in der Schule Deutsch gelernt), sondern ist handwerklich geschickt, weil er in sieben Jahren im Kosovo verschiedene unglaublich schlecht bezahlte Tätigkeiten ausgeführt hat. Als ehemaliger Berufsschullehrer halte ich diesen jungen Mann für fähig eine Ausbildung in Beruf und Schule zu absolvieren. Mancher Betrieb würde sich freuen ein solchen verantwortungsvollen und zuverlässigen Auszubildenden zu bekommen. Unsere Betriebe ringen bekanntlich um genügend Auszubildende, da der Facharbeitermangel immer größer wird.

Nun lese ich (NW vom 25.03.2015), dass sich in Nieheim ebenfalls ein Kosovare befindet, der seit acht Jahren auf seine Aufenthaltsgenehmigung wartet, ebenfalls gut Deutsch spricht und nach Meinung der Verwaltung sofort gut in Arbeit zu vermitteln sei. Aber auch er wird Deutschland verlassen müssen.

Welch ein Widerspruch! Auf der einen Seite "Willkommen und bleiben" mit allen möglichen Hilfen und auf der anderen Seite werden durch das geltende Recht solche Integrationsanstrengungen zunichte gemacht. Hier steht sich die Politik selbst im Weg. Wir brauchen eine Instanz, die es uns ermöglicht auch außerhalb des Asylrechts integrationswillige Einwanderer hier zu behalten und ihnen zu helfen im Kreis Höxter ihren Lebensmittelpunkt zu haben. Wir dürfen das Asylgesetz nicht weiterhin als die einzige Einwanderungsmöglichkeit missbrauchen und müssen ein eigenes Einwanderungsrecht schaffen. Darüber hinaus brauchen wir ein Bleiberecht für Flüchtlinge, die wegen Abschiebehindernisse seit Jahren nicht ausreisen können und in Deutschland bleiben müssen.

Hans-Georg Harrer

ehrenamtl. Helfer im Arbeitskreis Ökumenische Flüchtlingshilfe, Brakel